„Plattdeutsche Klassiker lesen!“
Fritz Reuter: Kein Hüsung
gekürzte Hörspiel-Fassung
Orthographie Reuter (2.Aufl. 1864) | Orthographie Herrmann-Winter |
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HERR
„Ein Tagelöhner? – Gott sei Dank!
Ich glaubt’, es würd’ was Schlimmes sein. –
Ein Tagelöhner bloß.“
INSPEKTOR
„Nein, nein!
Der nicht! – Eins von denn Pferden:
Der Schimmelhengst hat Harnbeschwerden.“
HERR
„Der Hengst? – Der Hengst? – Der Worsleyhall?
Ich würd’ verrückt – parole d’honneur! –
wenn ich so ’n edles Tier verlör.
Schick up de Städ nå Jehann Schütt,
dat gliek hei nå denn Dokter ritt
un em vertellt, wat hier passiert!
Mien schöne Hingst, mien düres Diert!“
ERZÄHLER
Un de oll Daniel trett heran:
DANIEL
„Bi Vadder Brandten sitt Jehann.
Herr, dor ’s ein gor tau grotes Leiden,
Herr, ik will rieden, wat ik kann,
sall ik nich leiwer gliek de beiden,
denn Pier- un Minschendokter hålen?“
HERR
„Hei deit, wat ik em heff befåhlen.
Denn Dokter hål! Måk tau! Verschwind!“
(Herr und Inspektor in den Stall)
DANIEL
„Sei segg’n jå, dat w’ ok Minschen sünd.
Na – Gott sei Dank! –
noch bün ’k nich krank.
Doch kümmt mål eins an mi de Reih,
denn wull ’k, ik wier ein leiwes Veih.
Sei segg’n jå, dat w’ ok Minschen sünd.
Ik heff kein Kegel un kein Kind ...
Dat was mål eins ’ne ann’re Tiet,
doch de licht wiet!
Wenn blot kein Unglück mål geschüht!“
ERZÄHLER
Un Daniel jöcht denn Wech dorhen,
sien wittes Hoor späält in denn Wind,
un düüster licht de Nacht herüm,
un düüster sprääkt in em de Grimm.
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6. DE DOD
ERZÄHLER Oll Vadder Brandt licht up denn Dod;
in ’t Finster schient dat Morgenrot.
De oft hett schient in Not un Leid –
De dunst’ge Lampenschien – vergeiht,
ein niege Morgen brääkt heran. –
An ’t Finstersäms lähnt still Jehann, Finstersäms – Fenstergesims
süht vör sik hen, wo an de Wand
de bunten, roden Sünnenstråhlen
sik schimmernd mit de Schatten målen
un fohrt sik mit de harte Hand
tauwielen œwer ’t fuchte Ooch,
wenn up Marik denn Blick hei slooch. slooch = slööch – schlug
De Dör geiht up, un liesing trett
Oll Daniel ’rin, geiht an dat Bett
un nimmt sien Käppel in de Hand
un secht mit bäwerige Stimm:
DANIEL „Gu’n Morgen, Korl! – Kennst mi noch, Brandt?“
ERZÄHLER De Kranke dreiht denn Kopp herüm
un süht em frömd in dat Gesicht,
as wenn Ein kümmt ut fiernen Land
un wedder nu taum iersten Mål taum = tau’n – zum
sien Vadders Hus tau seihen kricht:
Em is dat frömd un doch bekannt.
BRANDT „Mien Diern, Mariken, böhr mi höger,
un rückt mi an dat Finster neger,
ik will de Sünn noch einmål seihn.“
ERZÄHLER Un as ’t nå sienen Wunsch gescheihn,
dunn deit sien düüster Ooch sik hellen. dunn – dann, da, damals
Hei röppt heranner Daniellen
un fröcht so recht ut friee Bost:
BRANDT „Hüt is woll wunnerschönes Wäder?“
DANIEL „Wi heww’n denn iersten hellen Frost.“
BRANDT „So ’s ’t recht! So ’s ’t recht! – Hüt fall’n de Bläder.
Up dissen Dach heff ik so oft
tau Gott up mienen Låger hofft.
Wenn föllt dat Blatt, denn ward ik frie,
denn ward ’k erlööst, säd ’k oft tau mi.“
ERZÄHLER Un kiekt sien Kind so leidig an.
BRANDT „Kumm her, Marik, kumm neger ’ran!
Ok Di, mien Kind, ward lichter sien,
wenn ik nich mihr tau Last Di bün.“
MARIK „Oh, Vadder, nee!...“
BRANDT „Ik weit, ik weit:
Du wierst mien Kind, mien true Mågd.
Ik weit mit Di all längst Bescheid
un wat Di drückt. Wäs nich verzåcht!
Dedst Du ok . . .“
MARIK „Vadder, all mien Läwen…!“
BRANDT „Dedst Du von sienen Wech ok wieken,
uns Herrgott ward Di woll vergäwen.
Wi seihn uns wedder, leif Mariken!
Wein nich, mien Kind! Folg’ mi de Hänn’,
as Du dat alle Åbend dån!
Is ’t ok mit disse Sünn tau Enn’,
uns ward ’ne anner Sünn upgåhn.“
ERZÄHLER Un rot von Weinen un von Schåm
gifft s’ em de låhmen Hänn’ tausåm.
De Vadder bädt för ’t Kind so heit,
un still is ’t binnen, still is ’t buten,
ein Engel dörch de Kåmer geiht,
un Gottes Ooch kiekt dörch de Ruten. Ruten – Fensterscheiben
Un gütt sien Licht in volle Flaut,
un warmt dat Hart tau niegen Maut.
Un bi Marik föllt dål Jehann
un treckt sei an sien Hart heran.
Em is ’t, as wenn tau disse Stunn’
de Seelennacht, de em bedrückt,
vör Sünnenschien un Andacht wiekt,
as har hei sik nu wedder funn’n.
Oll Vadder Brandt hålt deiper Åten, Åten – Atem
dat is, as wenn üm siene Ogen
sik düüst’re all de Schatten togen.
BRANDT „Du wardst de beiden nich verlåten,“
ERZÄHLER secht hei mit Mäuh tau Daniellen.
BRANDT „Wi beiden wieren Spälgesellen,
du wierst mien Fründ un bleefst mien Fründ.
Dis’ beiden dau ’k up ’t Hart Di leggen:
Wenn s’ nich up rechten Wegen sünd,
denn sallst Du ehr denn rechten seggen.
Willst Du dat daun?“
DANIEL „Jå, Korl, ik will.“
ERZÄHLER Un wedder is dat ringsüm still.
De kranke Bost blot rœkelt holl
un ümmer düüst’rer ward sien Ooch.
Sien Daniel böhrt denn Kopp em hoch,
un swack un swäcker ward de Oll.
Doch plötzlich nimmt hei sik tausåmen,
as wier’n em niege Kräfte kåmen.
BRANDT „Bald is ’t mit mi gescheihn,
ik kann mien Kinner nich mihr seihn.
Doch ihrer mi de Ogen bräken,
kåmt neger ’ran,
Marik, Jehann!
Ik will dat letzte Wuurt nu spräken:
Juuch einzigst Arfdeil is de Not,
Juuch einzigst Lohn dat däächlich Brot.
De Arbeit is Juuch einzigst Freud,
Ji sied Juuch einzigst Ogenweid.
De heilig Schrift is, richtig läsen,
hier unn’n Juuch einzigst Stütt un Staf, Stütt un Staf – Stütze und Stab
un wenn Ji nå ehr Vörschrift wäsen,
denn is Juuch einzigst Trost dat Graff.
Kœnt Ji nich an Juuch sülfst Juuch freu’n,
nich Dach för Dach mit Armaut ringen,
åhn Afgunst Macht un Riekdaum seihn,
kœnt Ji dat trotz’ge Hart nich dwingen,
nich jede Arbeit still verrichten
åhn Wedderwür’ un bös’ Gedanken
för jeden Herrn, ok för denn slichten –
kœnt Ji nich jeden Åbend danken
uprichtig för Juuch sures Brot,
denn wier ’t an’n Besten, Ji wiert dot.
Un dat Ji leecht an miene Städ.“
ERZÄHLER Un swacker wür hei, as hei ’t säd.
Un höger geiht de kranke Bost,
mit Mäuh noch kann hei Åten hålen,
dörch siene Glieder tüht ein Frost,
de letzt von alle Ierdenqualen.
BRANDT „Ik wull – ik wull Juuch woll noch segen,
kann blot mien låhmen Hänn’ nich rögen.“
ERZÄHLER Un Daniel lööst de bäden Hänn’
un höllt sien’n låhmen Arm in Enn’,
un lut un dütlich secht de Oll:
BRANDT „Lääft woll, leif Kinnings, lääft recht woll!
Un ümmer gåht up Gottes Wegen!
Gåht an de Arbeit, an de Not
mit Maut un Tauversicht! De Dod,
de bringt denn Aust un Gottes Segen.
Hollt ut! Hollt ut!“
ERZÄHLER Un sackt taurüch
as wenn hei wier von Arbeit mäud.
Woll gåhn de Kirchenklocken säut,
dat slåten Uhr vernimmt sei nich.
Woll süht de leiwe Gottessünn
so hell in ’t bråken Ooch herin,
dat Glas is trüf, de Speigel blind.
Woll drückt sien Hand dat arme Kind,
woll smitt s’ sik weinend an sien Lief –
sien Hart is still, sien Hand is stief.
Un ein Gedank, ein Bangen föllt,
so kolt as Ies, so swer as Stein,
in ehr Gemäut: Sei steiht allein,
allein, allein in wiede Welt.
Ehr is ’t, as wier sei noch ein Kind
un har bi Rägen, Nacht un Wind
sik in ein düüstern Holt verluren.
As wüsst sei nich, wohen un her,
as keem ein Grugen œwer ehr.
Un as de beiden Afscheid nåhmen,
dunn sackt sei still in sik tausåmen:
Ach, wenn s’ doch läd’
An siene Städ! –
Mariken sitt, un swer Gedanken,
de trecken ehr dörch Hart un Sinn.
Wat sei ok bädt, sei will’n nich wanken.
Ach, wer de Taukunft weiten künn!
In ehr is so ein wild Gewäuhl,
dat drängt sik düüster dörch ehr Hart,
un klor is blot dat ein Gefäuhl:
dat grötter Unglück kåmen ward.
Jehann sitt dål, åhn wat tau seggen,
un deit ehr Hand in siene leggen.
Hei denkt mit Freuden d’rœwer nå:
Sei kœn’n nu nå Amerika.
Denn letzten Riegel vör sien Glück,
denn schöf nu jüst de Dod taurüch.
Doch as hei s’ dormit trösten will
un tau ehr von de Taukunft rädt,
wo herrlich dat woll warden süll,
dunn gütt ehr ’t frostig dörch de Ader,
as wür dat Hart tausåmen snert.
As wier ’t ne Sünn’ an ehren Vadder, Sünn’ – Sünde
as wier ’t ne Sünn’ in ehre Låch,
in niege Hoffnung fuurt tau läwen.
As wier ’t ne Sünn’, an bäd’re Dåch,
an Freud un Glück noch mål tau glöwen.
Wat hei ok secht von ’t schön’re Land –
ehr schuddert kolt, as wenn ehr grut
un treckt ehr Hand ut siene ’rut
un fött de kolle Dodenhand.
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